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Mittwoch, 17. September 2008

Blick über den Tellerrand

Zwölf KLJBlerinnen und KLJBler aus ganz Deutschland gingen im September auf große Reise. Ziel der vom Bundesverband organisierten Reise war unter anderem die autonome Region Extremadura in Spanien und die Expo in Zaragoza.

Bad Honnef-Rhöndorf, 17. September 2008. Zwölf KLJBlerinnen und KLJBler aus ganz Deutschland gingen im September auf große Reise. Ziel der vom Bundesverband organisierten Reise war unter anderem die autonome Region Extremadura in Spanien und die Expo in Zaragoza. Am Ende blickten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zurück auf eine vollgepackte, unvergessliche Tour mit zahlreichen Denkanstößen und tollen Gemeinschaftserlebnissen.

 

Die Mission

Verstehen lernen, wie die Menschen in Frankreich und vor allem in Spanien Landwirtschaft betreiben – mit weit weniger Niederschlag als bei uns in Deutschland. In welcher Umgebung sie leben und wie unterschiedlich die Lebensweise im Vergleich zu unserer ist. Ob sie die gleichen Herausforderungen wie wir hier in Deutschland haben oder ganz andere Probleme bewältigen müssen.

 

Der Weg

Die Reise mit einem Kleinbus und einem Auto führte zunächst von Bonn über Belgien durch das fruchtbare „Pariser Becken“ bis nach Saintes nahe dem französischen Atlantik. Von dort ging es mit einem kleinen Abstecher an den Strand von Royan weiter über Bordeaux und Biarritz Richtung spanische Pyrenäen. Dann fuhren wir lange durch die Hochebene Meseta bis in die Extremadura. Zweieinhalb Tage machten wir Station in Plasenzuela nahe Trujillo in der Extramadura. Weiter ging es über Madrid nach Aragonien in die Regional-Hauptstadt Zaragoza, zur Expo mit dem Thema „Wasser und nachhaltige Entwicklung“. Rückfahrt durch die Pyrenäen über Toulouse und Paris. Getreu dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ nutzten wir einige Etappenziele auf der ungefähr 4.000 Kilometer langen Strecke für Besichtigungen und thematischen Austausch.

 

DIE HÖHEPUNKTE

Betriebsbesichtigungen

Wir besuchten eine Ferkelaufzucht in der Nähe von Plasenzuela mit 80 Mutterschweinen. Die Ferkel werden nach etwa 20 Tage geschlachtet und vom Landwirt persönlich in Madrid an Restaurants verkauft. Diese grillen die Ferkel als Ganzes im Ofen und bieten sie als spanische Spezialität an. Der Betrieb hat keine eigenen Flächen zur Futtergewinnung, so dass er das gesamte Futtermittel zukaufen muss.Wasser entnimmt er aus seinem 80 Meter tiefen Brunnen und der örtlichen Wasserversorgung. Energie für den Stall wird durch ein Solarpanel und ein Stromaggregat gewonnen.

 

Tabak-Plantage

Auch die Besichtigung einer Tabak-Plantage in Rosalejo war sehr spannend. In der Region werden laut unserem Begleiter rund drei Viertel des landesweiten Tabaks angebaut. Die Ernte wird mit zehn marokkanischen Erntehelfern von Juli bis Oktober bewerkstelligt. Eine Woche und jede Menge Heizöl werden zum Trocknen (bei 40 – 60 Grad) der Tabakblätter in den speziellen Trockenhäusern benötigt. Aus ursprünglich sieben Kilo wird dann ein Kilo staubtrocke Tabakblätter. Einige Tabakbauern arbeiten bereits mit einem maschinellen Vollernter, der sogenannten „Eisernen Isabella“.

Der Tabakanbau ist stark auf Subventionen angewiesen. Er steht laut Plantagenbesitzer in Spanien in Konkurrenz mit Ländern wie Marokko und Simbabwe. Wenn die Subventionen wie angekündigt weiter gekürzt würden, würden sich immer mehr Betriebe ganz aus dem Tabakanbau in Spanien zurückziehen.

 

Solar-Energie

Ebenfalls beeindruckend war der Blick auf Teile eines der größten Photovoltaik-Parks Europas in der Nähe von Trujillo. Gerade in Spanien entstehen immer mehr solcher Anlagen – was liegt auch näher bei so vielen nutzbaren Sonnenstunden?

 

Expo in Zaragoza

Auf der Expo präsentierten sich einhundert Länder mit ihren Projekten, Firmen und Ansichten zum Thema Wasser und Nachhaltigkeit. Die Themen der Länder oder Kontinente waren durchaus unterschiedlich gelagert.Zum Beispiel thematisierten die afrikanischen Länder grundlegende Methoden der Wasserförderung, der Wasserspeicherung und einfacher Bewässerung. Dies scheint für die europäischen Länder kein großes Thema zu sein. Diese thematisierten überwiegend Wassersparen, Wasserwiederaufbereitung, Wasserschutz, Wasserverbrauch und Wasserinfrastruktur.

Unserer Gruppe fiel auf, dass die Expo ihrem Motto der Nachhaltigkeit bei der Umsetzung häufig nicht nachkam. Einweg-Materialien und unnötige Verpackungen an den Essensständen, viel Asphalt und Beton.Die Informationsvermittlung war oft niederschwellig und multimedial. Nur in einigen Länder- und Themenpavillons konnte detaillierter nachgeschaut oder nachgefragt werden. Ein einziger Tag auf der Expo reichte bei weitem nicht aus, um einen Gesamtüberblick über das Thema Wasser zu gewinnen.

 

Austausch mit spanischer Landjugendbewegung

Ein weiterer Höhepunkt war vor allem unser Austausch mit der Ortsgruppe „Movimiento de Jóvenes Rurales Cristianos“ (MJRC) von Plasenzuela und Mitgliedern aus der Nationalebene des MRJC, die uns während des ganzen Aufenthalts begleiteten. Im Gespräch erfuhren wir, dass die Vereinstradition in Spanien nicht sehr ausgeprägt ist und es Verbände schwer haben, Mitglieder zu gewinnen. Die katholische Kirche habe aufgrund ihrer Rolle im Franco-Regime und ihrer politischen Haltung in den letzten Jahren einen schlechten Ruf, erklärte man uns. Zudem beteiligten sich Jugendliche generell wenig am Dorfgeschehen. Nach ihren Bedürfnissen ausgerichtete Angebote nähmen sie oft gar nicht an. Noch dazu habe die spanische Landjugendbewegung natürlich mit Problemen wie Abwanderung und Überalterung in den ländlichen Regionen zu kämpfen.

 

Interkulturelle Erkenntnisse

Mittags gegen 15 Uhr wurde uns klar, warum in Spanien zur Mittagszeit das öffentliche Leben fast komplett zum Erliegen kommt. Es wird so heiß und hell, dass man sich gerne in die kühlen Steinhäuser zurückzieht und dort ein bis zwei Stunden pausiert.

 

Ulrich Böll

Referent für Ländliche Entwicklung an der KLJB-Bundesstelle