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Dienstag, 23. Oktober 2007

20 Jahre AgrarBündnis

Ein runder Geburtstag für das AgrarBündnis: Die 25 Organisationen des AgrarBündnisses (darunter auch die KLJB) nahmen das Jubiläum zum Anlass, um Bilanz zu ziehen und um gemeinsame Perspektiven für die Zukunft zu diskutieren. Fazit: Die Notwendigkeit einer neuen Agrarpolitik ist noch immer aktuell.

Verbände des AgrarBündisses entwickeln gemeinsam Perspektiven für eine neue Agrarpolitik

 

„Bauern und Verbraucher für eine neue Agrarpolitik.“ Unter diesem Motto haben vor 20 Jahren vier Verbände aus Landwirtschaft, Natur- und Umweltschutz, Entwicklungspolitik und Verbraucherschutz die Aachener Erklärung veröffentlicht. Aus dieser gemeinsamen Aktion von Verbänden mit thematisch unterschiedlicher Ausrichtung ist das AgrarBündnis entstanden, dem heute 25 Organisationen angehören.

 

Die Notwendigkeit einer neuen Agrarpolitik ist heute so aktuell wie damals. Die Organisationen des AgrarBündnisses nahmen das Jubiläum zum Anlass, um anlässlich ihrer Mitgliederversammlung zurückzuschauen, Bilanz zu ziehen und um gemeinsame Perspektiven für die Zukunft zu diskutieren.

 

Bernd Voß von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft lobte die gemeinsame Arbeit im Bündnis: „Das AgrarBündnis steht für eine intensive Auseinandersetzung und Diskussion zwischen bäuerlicher Landwirtschaft und anderen gesellschaftlichen Interessensgruppen. Durch diese Bündnisarbeit ist es den beteiligten Bauern und Bäuerinnen gelungen, die Landwirtschaft aus dem gesellschaftlichen Abseits aktiv herauszuholen. Dabei hat sich gezeigt, dass es sehr viel mehr gemeinsame Interessen gibt, als uns von bestimmten Seiten immer eingeredet wurde.“

 

Heidrun Betz vom Deutschen Tierschutzbund zog ebenfalls eine positive Bilanz. Das Bündnis habe sich auf verschiedene Weise bewährt: einerseits um auf politischem Wege bessere gesetzliche Bestimmungen zu erreichen, andererseits um die Bürger und Verbraucher über Missstände zu informieren und ihnen Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

 

Hubert Weiger vom BUND würdigte das AgrarBündnis als ersten Zusammenschluss von Naturschutz und Landwirtschaft. Dadurch sei nicht nur viel zum gegenseitigen Verständnis bewirkt worden. Zahlreiche gemeinsame Projekte und Aktionen wurden möglich, vom Projekt "Neuland" (Fleisch aus tiergerechter und umweltschonender Tierhaltung) über den Aufbau der "Upländer Bauernmolkerei" bis hin zum jährlich erscheinenden „Kritischen Agrarbericht“.

 

Als wichtige Themen für die künftige Arbeit des Bündnisses wurden unter anderem die Agrogentechnik, der „health check“ (die Überprüfung) der EU-Agrarpolitik, das Thema Biomasseproduktion, der Tierschutz und die WTO-Verhandlungen diskutiert.

 

Bei der Agrogentechnik werden derzeit auf Bundesebene mit der Novellierung des Gentechnikgesetzes zentrale Weichen gestellt. Jetzt werde darüber entschieden, ob in Deutschland der gentechnikfreie Anbau weiterhin möglich bleibe oder nicht. Für Hubert Weiger vom BUND sei es daher notwendig „alle Kräfte zu mobilisieren. So müssen wir über zahlreiche Basisinitiativen die örtlichen Bundestagsabgeordneten dafür gewinnen, sich klar für eine gentechnikfreie Landwirtschaft zu positionieren.“

 

Tobias Reichert von Germanwatch geht davon aus, dass die Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO auf absehbare Zeit nicht abgeschlossen werden könne. Daher gebe es weniger äußeren Druck auf die Europäische Union, die entwicklungspolitisch besonders schädlichen Aspekte der gemeinsamen Agrarpolitik weiter zu abzubauen. Es sei daher besonders wichtig, dass Zivilgesellschaft und Politik darauf drängen, dass die im Rahmen der WTO-Verhandlungen zugesagte Abschaffung aller Exportsubventionen unabhängig vom Ausgang der Runde umgesetzt wird. Der für 2008 geplante "health check“ der EU-Agrarpolitik müsse daher für entsprechende Weichenstellungen genutzt werden.

 

Dieser „health check“ ist auch für andere Teilnehmer ein entscheidendes Thema: Für Bernd Voss darf es nicht beim angekündigten „check“ bleiben. Gefundene Fehler müssten auch wirklich kuriert werden. Das, was sich derzeit an positiver Preisentwicklung für die Bauern abzeichne, müsse nun abgesichert werden. Dabei sei es durchaus erfreulich, dass die EU Kürzungen der Direktzahlungen bei großen Agrarbetrieben in die Diskussion gebracht habe. Leider sei der Vorschlag zu undifferenziert. Verbände des AgrarBündnisses hätten schon lange konkrete Vorschläge gemacht, wie eine sozial gerechte Verteilung durch die Anbindung der Direktzahlungen an die Arbeitskraft aussehen könne. Hubert Weiger forderte, dass mit dem eingesparten Mitteln eine umwelt- und verbrauchergerechte Landwirtschaft sowie regionale Verarbeitungs- und Vermarktungskonzepte stärker gefördert werden sollten.

Beim Thema Tierschutz sieht Heidrun Betz das Bündnis aktuell in der Pflicht, bei der Broilerhaltung politisch aktiv zu werden: „Die unzureichenden Mindestanforderungen der EU für die Masthühnerhaltung dürfen nicht eins zu eins in deutsches Recht umgesetzt werden.“ Bei der Legehennenhaltung habe die Bundesregierung leider entschieden, dass die Käfighaltung fortgesetzt werde; über die Aufklärung der Verbraucher und des Handels sei jedoch einiges zu erreichen. „Seit die Bürgerinnen und Bürger erkennen, woher die Eier stammen, ist der Verkauf von Käfigeiern rückläufig. Firmen wie Dr. Oetker und Griesson-de Beukelaer sind bereits auf Bodenhaltung umgestiegen.“ Die Forderung, Fertigprodukte entsprechend ihrer Eier-Herkunft zu kennzeichnen, damit die Verbraucher eine Wahlmöglichkeit haben, sei daher der nächste Schritt. Erfolgreich sei auch der Protest gegen den Bau riesiger Tierhaltungsanlagen. Die massiven Proteste der Bevölkerung und über 1.000 Einwendungen, darunter auch die der AgrarBündnis-Verbände BUND, Deutscher Tierschutzbund und ProVieh, haben bereits dazu geführt, dass sich ein Genehmigungsverfahren für eine Zucht- und Mastanlage für 85.000 Schweine im brandenburgischen Haßleben erheblich in die Länge zieht. Andernorts haben Investoren ihre gigantischen Pläne bereits wieder zurückgezogen.

 

Bei allen Aufgaben, die noch warten, sind sich die Verbände jedoch einig: Die gemeinsamen Anliegen und das gemeinsame Auftreten des AgrarBündnisses haben nicht nur ein anderes Verständnis von Agrarpolitik und Interessensvertretung geprägt; sie haben sich auch im Markt durchgesetzt. Regional, ökologisch, tiergerecht, gentechnikfrei und fair sind zu zentralen Leitmotiven in der Landwirtschaft, in der Lebensmittelwirtschaft und im Handel geworden. Hier sind die wesentlichen Innovationen der Branche der letzten Jahrzehnte beheimatet. Darauf können alle Beteiligten dieser gesellschaftlichen Bündnisarbeit selbstbewusst zurückblicken und ihre weitere Arbeit aufbauen.

 

Mehr Infos: www.agrarbuendnis.de